Wenn man von Mathematik in Göttingen spricht, dann denkt man natürlich an einen Namen: Carl Friedrich Gauß.
Er kam im Jahre 1795 als Student nach Göttingen und schätzte die Zusammenarbeit mit einigen Astronomen, den Mathematikern dieser Zeit konnte er jedoch nicht viel abgewinnen. (Freilich hätte keine Universität in Deutschland zur damaligen Zeit seinen Ansprüchen genüge geleistet). Er verließ Göttingen, und nach der Publikation seiner Disquisitiones Arithmeticae und großen Leistungen auf dem Gebiet der Astronomie drohte Gauß einem Ruf nach St. Petersburg zu folgen. W. Olbers war es, der mit der Universität Göttingen in Verhandlung trat, um Gauß auf jeden Fall in Deutschland zu behalten, was ihm schließlich und endlich auch gelang, mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Grund, da in Göttingen ein neues Obvservatorium entstehen sollte, dessen neuer Direktor Gauß werden sollte und nach Ferigstellung im Jahre 1816 auch wurde. Gauß hatte als weiteren Bonus wenig administrative Verpflichtungen und blieb in Göttingen bis zu seinem Tod 1855.
Sein Wirken in Göttingen, abgesehen von den wenigen Vorlesungen, die er zumindest in jungen Jahren nur widerwillig hielt, braucht nicht noch einmal besprochen werden, es sei zu diesem Zwecke auf seine Biographie verwiesen. Nach Gauß' Tod entstand natürlich eine Lücke, die nur schwer zu schließen war. Im Jahre 1855 konnte mit Peter Gustav Lejeune Dirichlet ein würdiger Nachfolger auf den Posten gesetzt werden. Ihm waren in Göttingen aber nur wenige Jahre beschienen, da er jung verstarb.
Der nächste an der Reihe war Berhard Riemann, der bei Dirichlet in Berlin studierte und 1851 bei Gauß promovierte, doch auch er konnte bekanntermaßen nicht lange in Göttingen wirken, da seine Tuberkulose in zwang, die meiste Zeit bis zu seinem Tod in Italien auf Kur zu verbringen.
Es fehlte also weiterhin eine überragende Persönlichkeit, die über einen längeren Zeitraum wirkte, und Göttingen gelangte, wohl auch durch die politische Kräfteverschiebung von Hannover nach Berlin, als mathematisches Zentrum Deutschlands immer mehr ins Hintertreffen.
Erst in der Person Felix Kleinīs, der 1886 berufen wurde, bekam Göttingen wieder eine starke Führung für seine mathematischen Institute. Klein war der große Organisator der Göttinger Mathematik, unter dessen Leitung alle erdenklichen Einrichtungen neuen Glanz erlangten, wie z. B. die mathematische Bibliothek, die Modellkammer. Klein gründete auch das "Lesezimmer des mathematischen-physikalischen Seminars" und ein großes Anliegen war ihm auch die Strukturierung des mathematische Unterrichts von der Grundschule bis zur Hochschule. Sein wohl größter Verdienst war es, 1895 David Hilbert nach Göttingen zu holen und dort auch zu halten.
Dieses Gespann, Hilbert und Klein, war ausschlaggebend, daß Göttingen die mathematische Spitze zurückerlangte, sie schufen ein drittes Ordinariat das zuerst von Minkowski und dann von Landau besetzt wurde. Dank Hilbert liest sich die Liste der Studenten, die nach Göttingen strömten wie ein "Who-is-who" der deutschen Mathematik: Otto Blumenthal, Max Dehn, Felix Bernstein, Rudolf Fueter, Erhard Schmidt, Ernst Hellinger, Hermann Weyl, Andreas Speiser, Alfred Haar, Richard Courant, Erich Hecke, Hellmut Kneser. 1904 wurde ein weiteres Ordinariat geschaffen, ein Lehrstuhl für angewandte Mathematik (der erste dieser Art in Deutschland), der von Carl Runge besetzt wurde.
Unter Klein, Hilbert, Minkowski, Landau und Runge im Verein mit dem Astronomen Karl Schwarzschild und den Physikern Ludwig Prandtl, Peter Debye und Emil Wiechert wurde Göttingen um die Jahrhundertwende zum weltweiten Mekka der Mathematik.